„Schizophrene Sprache“ – Schizophrenie unter Linguistischer Perspektive

Verfasst von: Alexander Miró (Hamburg, 1999)

Inhalt:

Einführung

1. Ist Krankheit gleich Krankheit

1.1 Wie läßt sich das psychisch Krankhafte beschreiben

2. Was ist das Selbst, wie kann es im Menschen definiert werden

2.1  Das krankhafte Selbst

2.2 Vom krankhaften zum «geteilten» Selbst

3. Das schizophrene Krankheitsbild

Literaturhinweise:

 

 

Einführung

In dieser Arbeit soll ein kleiner Einblick in die Welt des vermeintlich Kranken gewährt werden. Eine zum großen Teil selbstkonstruierte Welt, in der das Leben als solches seinen Wert verliert, da der Betroffene in jeder Situation darum bemüht ist dieses physische und psychische «Leben» zu verteidigen.

Die Welt des schizophren Kranken erscheint somit verworren und «objektiv» krank, jedoch die Teilung des Selbst ist, wie sich zeigen wird, aus der Sicht des Schizoiden eine quälende Notwendigkeit um sich selber erhalten, um sein zu können.

 

1. Ist Krankheit gleich Krankheit

Was ist eine Krankheit? Beginnt diese erst zu diesem Zeitpunkt an dem man sich schlecht, müde, ausgelaugt usw. fühlt, also an dem physisch sichtbare Symptome auftauchen? Wenn dem so ist, wird es schwer sein die Patienten um die es in dieser Arbeit gehen soll in diese Gruppe «einzuordnen». Ist jemand Krank sobald er oder sie sich aus unserer subjektiven Sicht heraus etwas «sonderbar» oder «merkwürdig» benimmt. Wo ist die Grenze zwischen «subjektiver Individualität» und «objektiver Krankheit» zu ziehen? Auch Ronald D. Laing, auf dessen «Fährte» ich mich hier hauptsächlich bewege, hat dieses Problem aufgegriffen, und ist in seinem Buch «Das geteilte Selbst» darauf eingegangen:

 «In einer Psychiatrischen Klinik sagte ein kleines Mädchen von siebzehn Jahren zu mir, sie sei entsetzt, weil die Atombombe in ihr drin sei. Das ist Wahn. Die Staatsmänner der Welt, die sich brüsten und drohen, daß sie Vernichtungswaffen haben, sind weit gefährlicher und weit entfremdeter von der ‹Realität› als viele, denen man das Etikett ‹psychotisch› aufdrückt.» (S. 9/10)

An dieser Stelle wird schon ein kleiner Eindruck davon vermittelt, daß der Begriff Krankheit, im Zusammenhang mit psychischen Leiden sehr vorsichtig zu gebrauchen ist.

 

1.1 Wie läßt sich das psychisch Krankhafte beschreiben

Wenn wir uns Krankheiten ansehen die psychischen Ursprunges sind (also Krankheiten die auf die Seele und den Gemütszustand wirken), werden wir sehr bald auf einen Zusammenhang stoßen, der sich aus «seiner Einstellung sich selber gegenüber», also der Ausdrucksform und der Auffassung seiner eigenen Ausdrucksform, ergibt. Laing unterscheidet in diesem Zusammenhang das «Ich», daß «Über- Ich», sowie das «Es» für andere Personen (S. 17). Diese Pronomen beschreiben den Menschen als Einheit, wie er sich, seine Umgebung und seine Mitmenschen wahrnimmt. Jedoch nicht nur dieses, außerdem wird hier der Rahmen gebildet, wie die Person gesehen werden möchte, also die Reflexion der eigenen Handlungen und Aktionen. Aus diesen Definitionen der eigenen Person entsteht somit das «In-der-Welt-Sein»:

«Nur das existentielle Denken hat versucht, der ursprünglichen Erfahrung des Selbst in Beziehung zum anderen in seiner Welt mit einem Begriff zu entsprechen, der diese Totalität adäquat widerspiegelt. So wird, existentialistisch, das Konkretum gesehen als die Existenz des Menschen , sein «In-der-Welt-Sein». (S. 17)

Für jeden von uns stellt sich dieses «In-der-Welt-Sein» sein nun anders dar, da sich jeder anders wahrnimmt und vor allem auch anders als alle anderen wahrgenommen werden möchte. Jedoch schon in diesem letzten Satz beginnt das Verstehen des Einzelnen in ein Mißverstehen einzumünden, da der Mensch an dieser Stelle versucht einen Vergleich anzustellen, einen Vergleich zwischen den Individuen, der zwangsläufig und unwiderruflich in die Einseitigkeit und damit in die Einsamkeit führt.

Und dies ist es auch was den psychisch Kranken am heftigsten ängstigt und irritiert, hierzu jedoch später.

Es sei jedoch nicht unerwähnt, daß gerade hierin, nämlich im sich allein gelassen fühlen des Patienten, eine weitere, nicht zu unterschätzende Gefahr liegt. Die Krankheit liegt somit, in der Konsequenz, in der (mangelnden?) Beziehung zu sich und zu seiner Umwelt, in einem Konflikt seines «In-der-Welt-Sein».

Hier beginnt nun die Arbeit einen solchen Menschen zu verstehen, dies jedoch nicht aus meiner, der Beobachterposition heraus, sondern, es muß versucht werden seine Welt nicht nur aus seinem Blickwinkel, sondern aus seinen Erfahrungen mit seinenErwartungen, Bedürfnissen, Begierden und Träumen quasi nachzuempfinden. Dies hat nichts mit einem objektiven Sichtwinkel zu Tun. Objektivität ist in einer «Wissenschaft» die sich mit dem Menschen befaßt eher negativ Belastet, da sie nicht das auszudrücken vermag was sie ausdrücken möchte; Objektivität impliziert hier nur zu leicht Depersonalisation. Wird diese harte Arbeit, sich in die Welt des Patienten zu involvieren, von Erfolg gekrönt, so ist die Grundlage für eine Arbeit nicht am sondern mitdem Patienten ermöglicht. Denn, das Verhalten des Patienten ist immer eine Funktion des Verhaltens des Psychiaters zu seinem Patienten.

Krankheit ist ein Ruf. Ein Ruf einerseits nach Beachtung, andererseits, so denke ich kann man Laings Ausführungen interpretieren, nach Erhaltung bzw. Findung einer Distanz, dies um sich selber zu «finden» und zu «Erfahren». Diese «Erfahrung» seiner selbst ist ein Bestandteil eines jeden von uns, wir sind darauf angewiesen, daß wir uns «einschätzen» können, eben um unsere geistige und gefühlsmäßige Konsistenz aufzubauen und erhalten zu können. Auf diese Einschätzung unser selbst gründen sich unsere Aktionen. Die permanente Gefahr, die bei der Beschreibung einer psychischen Krankheit gegeben ist, ist jedoch, daß man, diagnostiziert man eine solche Krankheit, alleine durch Erkennung dieser Symptome die Störung provoziert und aus «meiner Sicht» als Krankheit identifiziert; die Krankheit existiert somit aus unserer Sicht (laut unserer Subjektiven Definition). Diese Einschätzung beginnt sich jedoch bereits an dem Punkte zu relativieren, an der der vermeintlich «Kranke» über seiner Krankheit befragt wird:

«Ich schlage darum vor, daß geistige Gesundheit oder Psychose gemessen wird an dem Grad der Konvergenz oder Divergenz zwischen zwei Personen, von denen der eine nach allgemeinem Konsensus als geistig gesund gilt.» (S. 35)

Ich denke, daß zumindest ein Teil dieser Krankheit, die wir aus unserer Sicht wahrnehmen, erst durch diese Sicht gebildet, ja, hervorgerufen wird.

2. Was ist das Selbst, wie kann es im Menschen definiert werden

Wie im vorherigen Punkt bereits angesprochen besitzt ein jeder von uns ein eigenes «In-der-Welt-Sein», also einen individuellen Standpunkt, eine eigene Definition seiner Handlungen und Aktionen. Aus diesen Definitionen, aus deren Sicht er sich selber und seine Mitmenschen erfährt, gewinnt der Mensch seine Individualität. Dies geschieht, wie jeder unschwer nachvollziehen kann, in einem unaufhörlichen Prozeß, der nie seinen Abschluß findet. Dieser hier geschilderte Prozeß ist Bestandteil des Menschen seinen eigenen Willen, seinen eigenen Standpunkt in der Welt zu finden. Diese Selbst-Findung erst ermöglicht es einem Menschen im Leben zu «stehen», also Verantwortung für sein eigenes Tun zu entwickeln, und für seine Aktionen «gerade zu stehen».

 Bei der Entwicklung des «Selbst» sind nun einige Schritte zu erkennen, die diese Entwicklung mit vervollständigen. Laing erwähnt in seinem Buch ein Spiel, daß ihm in diesem Zusammenhang bei Kindern aufgefallen ist, und das, Variiert, bei vielen Kindern zu beobachten ist. Das Kind spielt, und entdeckt hier das Verschwinden und das wieder auftauchen, indem es irgendwelche Gegenstände, oder auch sich selber «verschwinden» läßt (s.S.116f). Dieses Versteckspiel wird sowohl auf sich aber auch auf andere (z.B. die Mutter) angewendet, indem ein Kind etwa von den Eltern verlangt sich zu verstecken, und diese sodann bewußt «übersieht». Dieses Versteckspiel trägt, so denke ich, sehr offensichtlich zu einer Selbständigkeit bei, in der das Kind den Versuch unternimmt, sich selber als «Selbst» zu sehen, als ein eigenständiges Wesen. Die Unterscheidung zwischen «Du» und «Ich» ist eines der wichtigsten Ereignisse im Leben eines Kindes (so entsinne ich mich, das ich selber als Kind eine bestimmte Speise einzig und allein aus dem Grunde nicht mochte, weil auch meine Mutter diese nicht aß). Dieser Schritt vollzieht sich bereits in den ersten Monaten eines Kindes, wobei es wohl von Geburt an ein gewisses Autonomieempfinden besitzt. Allerdings nur dann, wenn dem Kind durch seine Umwelt signaliesiert wird, daß es eine solche Unabhängige Person ist. Das Kind muß seine Unabhängigkeit erfahren, es muß erkennen, daß seine Aktionen und Handlungen Konsequenzen seines eigenen Selbst sind.

Mit diesen Aussagen bewegt man sich nun auf dem Boden der Existentiellen Phenomenologie die sich mit der Charakterisierung von Erfahrungen und Beschaffenheit über seine Umwelt und sich selbst einer Person beschäftigt. Dies nun beschreibt den Menschen recht umfassend, denn, in einem Menschen wird immer auch seine Umgebung reflektiert, und diese ist folglich auch tief in seinem Selbst verankert; jedoch muß als erstes die Ganzheit, die Einheit dieses Selbst erkannt werden, erst zu diesem Zeitpunkt kann der Mensch, das Individuum sich selber als Reflexion, als ein «Spielball» zwischen Bedürfnis und Erwartung erkennen und ausleben. In dieser Weise treffen wir nun aufeinander, ein jeder «lebt eingebettet in seiner eigenen Welt», und doch ist jeder von seinem nächsten so abhängig, wie ein Säugling der zum ersten Mal den Tag erblickt.

 

2.1  Das krankhafte Selbst

Die Einheit, die Konsistenz einer Person ist es die den Menschen, den alten wie den Jungen am Leben, am lebendigen Leben erhält. Der Aufbau dieser Eigenschaft, der Eigenschaft einen eigenen «Blickwinkel» nicht nur zu haben, sondern sich dieses eigenen Blickwinkels auch bewußt zu sein, dies rettet den Menschen von der völligen Abhängigkeit, und zwar nicht nur vor der körperlichen, sondern von der geistigen, der völligen Abhängigkeit.

Diese Unabhängigkeit ist jedoch nicht zwangsläufig vorhanden. Es kann auch sein, daß diese Unabhängigkeit fehlt, daß die Möglichkeit sich frei und ungebunden zu fühlen nicht vorhanden ist. Dies bedeutet jedoch, daß dieser sich in einem Mißverhältnis zu sich selber befindet, er hat nicht die Möglichkeit sich selber in einer autonom-lebendigen Unabhängigkeit zu entdecken.

«Das Individuum kann also sein eigenes Sein als real, lebendig, ganz erfahren; als, unter normalen Bedingungen, so sehr verschieden vom Rest der Welt, daß seine Identität und Autonomie niemals in  Frage gestellt werden; als ein Kontinuum in Zeit; als innere Konsistenz, Substantialität, Wahrheit und Wert habend;…... Das Individuum hat so einen festen Kern ontologischer Sicherheit. Das kann aber auch anders sein. Das Individuum mag sich unter normalen Lebensbedingungen eher irreal als real fühlen; buchstäblich eher tot als lebend; vom Rest der Welt unbestimmt differenziert, so daß seine Identität und Autonomie immer in Frage gestellt sind.» (S. 40)

Die Angst, die Unsicherheit eines solchen Menschen beherrschen sein Handeln und sein Denken. Er lebt mit und in dieser Unsicherheit, sein «Selbst» wird unsicher. Das Selbst wurde gebrochen, was für dieses Selbst eine zusätzliche Unsicherheit bewirkt, da ihn dies der gesellschaftlichen Ächtung auswirft, denn Sicherheit, Autonomie und Dynamik bestimmen das heutige Bild eines Menschen. Dies bedeutet jedoch nicht das diese Menschen die «sichere Welt» nicht wahrnehmen, jedoch genau dies ist der Anlaß für ihre Unsicherheit. Das Selbst ist äußerst verwundbar und zudem benötigt es, wurde es denn einmal «verletzt», eine außergewöhnliche Heilungsmethode und eine lange Genesungszeit, denn das «Selbst» sind wir.

«Wir» impliziert aber immer ein Zusammengehörigkeitsgefühl, von dem sich das voll entfaltete und autonome Individuum lösen kann, dies um die Brücke zu sich selber schlagen zu können; denn, erst das Empfinden einer Balance zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit läßt den Menschen zur Ruhe kommen. Das krankhafte Selbst findet diese Balance nicht. Es kann keinen Mittelpunkt, keinen Nullpunkt finden zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit. Es verirrt sich in den Extremen und ängstigt sich aufgrund dessen noch mehr. Das Fehlen des Gefühls für Autonomie impliziert den Glauben, das eigene Sein sei an den anderen gebunden oder dieser sei an einen selbst gebunden. Dies in einem Maße, das die wirkliche Bezogenheit bei weitem überschreitet. Das Gefühl sich in einem anderen zu «verlieren», sich völlig aufzugeben, wenn man einem anderen gegenübertritt beginnt das eigene Selbst «auszuhöhlen» (ich denke, in Ansätzen ist dieses Gefühl sehr vielen Menschen bekannt. So gibt es Menschen, die eine solche Ausstrahlung besitzen, daß ihre Persönlichkeit den gegenüber geradezu «erdrückt», oder besser gesagt, von deren Persönlichkeit sich andere erdrückt fühlen.). Sicherlich ist dieses Einwirken auf den anderen in fast jeder Interaktion, sei sie verbal oder nonverbal, vorhanden, was jedoch nicht als Eingriff in die Persönlichkeit empfunden wird. Denn, Interaktion und Kommunikation erfordert auch eine gewisse Empathie, ein gewisses «Einbrechen» in die Persönlichkeit, in das Selbst des anderen, gerade um den Kontakt zum anderen aufrecht zu erhalten, sich wirklich mit dem anderen auseinanderzusetzen. Jedoch, daß krankhafte Selbst erfährt dieses als Irritation, ja, als Gefahr, als Gefahr für seine Autonomie. Wie eine dunkle Wolke am Himmel kreist die Gefahr der anderen «Selbste» über dem Irritierten und Eingeschüchterten, was die Angst vor dem Erdrückt werden noch verstärkt. Dies zwingt den Menschen zum Rückzug in sich selber.

2.2 Vom krankhaften zum «geteilten» Selbst

Das Selbst ist, wie beschrieben, der Grundbaustein des eigenen, ganz individuellen Wesens. Dies verkompliziert sicherlich die Situation in dem Sinne, als daß die Aussage, ein Mensch besitze ein krankhaft gestörtes Selbst nur mit Vorbehalt getroffen werden kann. Wo liegt der Wahrheitsgehalt einer Aussage, wenn das Verhalten, die Aktionen eines Menschen am Verhalten der anderen Menschen, sei es die Mehrheit oder nicht, gemessen und somit für krank oder gesund befunden werden. Ich denke die Aussage über die Krankheit eines Menschen ist erst an der Stelle möglich, an der der Betroffene selber eine Aussage über seinen Gemütszustand wagt, wo er sein Unwohlsein bekräftigt, wo er den Weg der Offenheit beginnt, hier beginnt die Möglichkeit des Hinterfragens, die Möglichkeit des verstehens und der Behandlung.

Wie ich sagte zeichnet sich das «krankhafte Selbst» durch Furcht und Irritation aus. Diese Furcht, die sich bis zur panikartigen Angst steigert, veranlaßt die Person nun zu einer «Flucht», nämlich zu einer Flucht vor der anderen, vermeintlich stärkeren und alles verzehrenden «Persönlichkeit», also vor dem «Selbst» der anderen Person. Das alles aus Angst er selber, sein Selbst könnte vom anderen überrannt, überrumpelt, geraubt oder annektiert werden; er selber fühlt sich vom anderen unter Druck gesetzt, allein durch dessen Gegenwart. Hierbei ist es gleich wie der andere auftritt, wie sanft, hart, wie konstruktiv oder destruktiv ihm der andere begegnet, allein die Gegenwart, ja, das Vorhandensein des anderen Selbst löst in dieser Person diese Reaktion aus. Eine Reaktion, die das Verlangen nach Flucht und gleichzeitig nach Verkriechen auslöst.

In dieser Phase des krankhaften Selbst bekommt diese «Krankheit» dann einen Namen, wir betiteln diesen Zustand einen schizoiden Zustand (womit eine «seelische Spaltung»  benannt wird). Laing schreibt hierzu:

«Man kann sich durch den anderen belebt und das Gefühl für das eigene Sein durch den anderen vergrößert finden, oder man kann den andern als tötend und verarmend erfahren. Eine Person kann zu dem vorweggenommenen Schluß gekommen sein, daß jede mögliche Relation mit einem andern die letzteren Konsequenzen haben wird. Jede andere Person ist dann eine Bedrohung für ihr «Selbst», für ihre Fähigkeit, autonom zu handeln. Nicht weil sie oder er irgend etwas Bestimmtes tut oder nicht tut, sondern eben oder ihrer Existenz wegen.» (S. 46)

Jedoch, neben der Angst vor der Entraubung der eigenen Persönlichkeit, des «Selbst», durch andere, ist häufig die Unmöglichkeit ohne die anderen zu existieren; die eigene Existenz wird nur durch das Vorhandensein der anderen gewährleistet. Die Angst vor dem anderen ist so groß, daß er sich letztendlich vor allem vor dessen Zuneigung fürchtet, denn Zuneigung impliziert vor allem Macht ihm gegenüber. Liebe, Verständnis und Zuneigung werden für den Schizoiden zur angsteinflößenden Macht. Genauso wie er sich fürchtet diese Empfindungen einem anderen gegenüber zu offenbaren, da auch hier Gefahren lauern sein eigenes «Selbst» zu verlieren oder das des anderen zu zerstören. Der Schizoide ist auf diese Weise gezwungen sich aus dem laufenden, «realen» Geschehen auszuklinken um sich sein «Selbst» und damit sein Leben zu erhalten. Und mit diesem Schritt, mit dem Flüchten in seine eigene Welt, mit dem beenden seiner Existenz in dieser Welt verschlechtert sich sein Zustand aufs extremste, dies da der Schizoide mit dieser Flucht meist jegliche Brücke zur «realen» Welt, und zu seinem Leben in dieser, niederreißt und sich sodann in eine Scheinwelt, in eine Welt der Phantasie verkriecht. Eine Welt in der Menschen mit Phantasiegestalten vertauscht, in der die Figuren von dem Schizoiden beherrscht und gesteuert werden. Jedoch, der Aufbau und Erhalt dieser Scheinwelt erfordert Disziplin und Kraft, da die Scheinwelt in allen Einzelheiten konstruiert werden muß, die Realität muß dauernd in schach gehalten werden, was die Furcht vor dieser Welt wiederum steigert.

Es ist schwer vorstellbar, daß ein Mensch eine solche Scheinwelt aufbaut, um sein eigenes «Selbst» erhalten zu können, dies da gerade durch den Aufbau einer solchen künstlichen Welt seine «reale Identität» verblaßt und letztendlich verschwindet. Jedoch aus seiner Perspektive ist dies die einzige Möglichkeit seine Identität zu erhalten, da jede Reflexion  auf sein «reales Selbst» eine existentielle Gefahr für ihn bedeutet, eventuell sogar seine Vernichtung. Der Schizoide fühlt sich nicht etwa von den Äußerlichkeiten der anderen verfolgt, sondern von den «Selbsten», dies kann soweit gehen, daß er vor der Realität als solches entfliehen will. Dies alles treibt ihn unaufhörlich in die Isolation, in die Kälte; hier wird Haß erwünscht um sein «Selbst» nicht aufgeben zu müssen und Liebe verschmäht. Der Kontakt zu anderen wird für ihn zum Horror, da er sich zur Aufgabt gemacht hat, sich seine Sicherheit zu «bewahren». Jeder Kontakt zu anderen wird für ihn zu einer Probe aufs Exempel, ein dauernder Kampf beginnt, ein Kampf gegen den anderen und vor allem gegen sich selber. Dies, da er dieses Leben, sein Leben haßt, er haßt den Kampf, möchte verstanden werden, möchte von anderen vereinnahmt und durchdrungen werden, zugleich jedoch muß er sich gegen dieses Gefühl erwehren um nicht «vernichtet» zu werden. Die Furcht vom anderen in ein «Es» verwandelt zu werden, oder jemand anderen in ein «Ding» zu verwandeln läßt den Schizoiden in seinem Engagement erstarken einzutauchen in einen Kampf gegen den anderen und gegen sich selber. Er tut indes genau dies, er «verdinglicht» den anderen um sich selber am Leben zu erhalten, er entwaffnet den gegenüber, nimmt ihm somit «den Wind aus den Segeln», er verwandelt den anderen und sich selber in Stein um nicht von jemand anderem in Stein verwandelt zu werden:

«Indem er in den eigenen Augen die andere Person als Person zerstört, raubt er ihr die Macht, ihn zu zerschmettern. Indem er sie ihrer personalen Lebendigkeit entleert, das heißt, indem er sie als ein Stück eines Mechanismus und nicht als menschliches Wesen ansieht, beschneidet er das Risiko, das diese Lebendigkeit für ihn hat, die ihn entweder überschwemmen, in seine eigene Leere eindringen oder ihn in ein bloßes Anhängsel verwandeln kann.» (S.47)

Aus dieser Zwangssituation heraus, beginnt der Schizoide ein «Schauspiel». Dies, indem er sein «Selbst» vergräbt, versteckt und für andere nicht mehr zugänglich macht. Er spaltet somit den Sichtbaren Teil, sein äußerliches, vom eigentlichen Sein ab, und gibt diesem nach außen hin Sichtbaren die Aufgabe sein Sein zu «schützen» und zu verstecken. Diese Fassade schützt ihn nun vor dem Einblick in sein Selbst und somit vor der «Zerstörung» durch andere «Selbste», natürlich ist dem Schizoiden in diesem Moment sehr bewußt, daß er sich weiter Isoliert, jedoch getrieben von der Angst erdrückt und zerquetscht zu werden erscheint ihm dieses Sich-zurückziehen als einzige Möglichkeit sich in der Gesellschaft zu behaupten. Diese Teilung in ein «verkörpertes- und-unverkörpertes Sein» ist bei fast jedem  Menschen, jedoch in nicht so existentiell teilender Form anzutreffen und in gewisser Weise wohl auch «provozierbar». Diese Teilung, die in nicht so extremer Art in jedem vorhanden ist, vermittelt fast zwei Arten von «Mensch sein». So beginnt das Leben für einige zu dem Zeitpunkt in dem sie beginnen körperlich zu existieren, in dem sie also in ihren Körper «schlüpfen» und auf die Erde stoßen, der andere Teil des Menschen fühlt sich hingegen immer etwas abgehoben und nie vollständig inkarniert. Diese Formen, die, wie beschrieben, in jedem enthalten sind in das Extreme verschoben spigeln den krankhaften Charakter wieder.

Beim unverkörperten Selbst ist der Körper eher ein «Anhängsel», der vom eigentlichen Sein nichts enthält. Es wird vom «wirklichen Selbst» eher kommentierend beobachtet.

«Der Körper wird mehr als ein Objekt unter anderen Objekten in der Welt denn als Kern des eigenen Seins empfunden.» (S. 66)

Dies hat sicherlich zur Folge, daß die Geschehnisse die den Körper betreffen vom eigentlichen Selbst eher passiv registriert werden, daß also eine Zweiteilung in der Wahrnehmung von Reizen vorhanden ist. Das wirkliche Selbst hat so nur eine bedingte «Steuerungsmöglichkeit» des falschen Selbst. Der Körper agiert hier selbständig, und ist darauf bedacht das wahre Selbst zu «verstecken». Das wahre Selbst wird ausgeschlossen von den Erfahrungen die der Körper macht (so werden normale Erfahrungen wie Gesten, Mitteilungen und soziale Kontakte zu anderen Personen für es Phantasiegebilde und unwirkliche Ereignisse, weil diese Momente dem wahren Selbst nur in der Phantasie begegnen und widerfahren können), es existiert in einer «anderen Welt» und lebt in einem «eigenen» Leben.

Die Möglichkeit zu diesem wahren Selbst vorzudringen sind äußerst begrenzt, denn die Aufgabe des falschen Selbst ist es dies mit aller Macht zu verhindern; es versucht die Außenwelt, und mit ihr die Gefühle und Gedanken dieser zu Isolieren und gegen das innere Selbst abzuschotten um diesem den Erhalt zu «sichern». Jedoch die Beurteilung des Körpers wird fortwährend vom wahren Selbst übernommen, die «Kontrolle» geschieht wie die Kontrolle eines Gegners der seinen Feind in schach halten muß, eine abschätzend, abwartende Situation entsteht, daß Individuum steht somit in dauernder kritischer Beurteilung seines Selbst gegenüber.

«Das Selbst ist seiner selbst überaus bewußt und beobachtet das falsche Selbst gewöhnlich überaus kritisch. Andererseits ist es bezeichnend für die Organisation eines falschen Selbst oder einer Persona, daß es gewöhnlich in einer Hinsicht unvollständig ist, nämlich aufgrund seiner nur mangelhaft reflektierenden Bewußtheit.…… Das Individuum in dieser Position ist fortwährend beängstigend «selbst-bewußt»… in dem Sinn, in dem das Wort benutzt wird, um das exakte Gegenteil zu kennzeichnen, das Gefühl nämlich, unter der Beobachtung durch den anderen zu stehen.» (S. 72)

Die Angst und die Kontrolle des anderen Selbst ist bei dieser Spaltung der dauernde Begleiter, so daß letztendlich nicht nur die Angst vor der Außenwelt und den Menschen, sondern auch die Angst vor dem anderen Selbst und deren Kontrolle entsteht. Das wahre Selbst befindet sich somit in einem Gewirr von Ängsten, von Furcht vor den anderen und sich selber, die Angst «entdeckt» zu werden treibt den Schizoiden mehr und mehr in die Enge. Die Angst vor einer Depersonalisation veranlaßt das wahre Selbst sich selber zu depersonalisieren, als Schutz und «Gegenoffensive». Die Mauer, die das innere Selbst aufbaut expandiert mit den versuchen diese Mauer zu zerstören, dies jedoch deswegen, da es aus dieser Gefangenschaft ausbrechen möchte.

Das falsche Selbst, das die ewige Aufgabe erhält die Fassade des Schizoiden zu schützen, ihn sozial unabhängig zu erhalten, hat jedoch nicht nur ein «Gesicht», sondern es schlüpft quasi in verschiedene Rollen, die unterschiedlich definiert sein können; es kann mithin als Ehemann, als Vater und gleichzeitig als Firmenchef gleichzeitig auftreten.

«Man kann diese «Persönlichkeit» bequem das «falsche Selbst» des Individuums oder ein «Falsches-Selbst-System» nennen. Der Grund weswegen ich vorschlage, von einem «Falschen-Selbst-System» zu sprechen, ist der, daß die «Persönlichkeit», das falsche Selbst, die Maske, die «Fassade» oder die «Persona», die solche Individuen zeigen, in einem Amalgam verschiedener Teilselbste bestehen, von denen keines genügend entwickelt ist, um eine umfassende, eigene «Persönlichkeit» zu haben.» (S.71)

In dieser Aussage verbirgt sich bereits die Schilderung eines schizophren-Kranken, einer Person also, die in ihrer Angst vor einer Zerstörung ihres Selbst, in verschiedene, völlig selbständige «Einzelpersönlichkeiten» gespalten ist, und die diese völlig unabhängig und souverän sowohl präsentiert als auch erlebt.

3. Das schizophrene Krankheitsbild

Das Bild des Schizophrenen kann an dieser Stelle sicherlich nicht als ein eigenständiges Krankheitsbild interpretiert werden, das sich in der Konsequenz von den bisherigen Ausführungen gänzlich abhebt. Der Schizophrene ist in der schon geschilderten Angst, die er als so existentiell und erdrückend erfährt, daß er dieser auf seine Art begegnet. Die Art und Weise dieser angstvollen Situation zu entfliehen mag für uns, als Außenstehende, als willkürlich, abstrakt und fern des für uns rational erscheinenden Lebens erscheinen, für den Schizophrenen jedoch ist es die logische Konsequenz mit dieser, seiner Welt, umzugehen, der einzig mögliche Weg sich am Leben zu erhalten.

Ich möchte hier den Versuch unternehmen einige Textbeispiele aus dem Buch von Frau Prof. Schmidt-Knäbel herauszugreifen, um diese sodann in den bisher geschilderten Kontext zu involvieren und die Aussagen und Schlüsse mit denen von Laing zu vergleichen. Ich werde mithin die Teilung des Selbst in ihren Untersuchungen, die sich an der Patientin H.K. orientieren, aufgreifen um hier eventuelle Parallelen zu dokumentieren.

Bei Schmidt-Knäbel wird der Schizophrene anhand seiner Ausdrucksform, seiner Sprache analysiert. Hier tauchen die Begriffe der Aktiv- und Passivform, der Affirmation und der Negation auf. Die Krankheitsstadien werden mit Hilfe von syntaktischen und semantischen Aussageformen bestimmt, um so einen Ansatzpunkt für eine Behandlung im stationären Bereich zu erhalten. In diesem Zusammenhang geht auch diese Studie davon aus, das der Schizophrene eine Angst besitzt sich selber in die Verantwortung zu nehmen. Er sieht sich selber nicht als «vollwertig» an, so daß der Schizophrene ewig versucht sich schon durch die Sprache aus der Verantwortung zu nehmen. Dies wird am Beispiel der Vermeidung jeglicher Negationen sichtbar, in der der Versuch unternommen wird, ein Hinterfragen durch den Interaktionspartner von Beginn an zu vermeiden. In diesem Beispiel wird deutlich wie unsicher der Schizophrene im Grunde ist. Das Hinterfragen, ein Zeichen für Neugier, für Interesse an der anderen Person, würde für den Gefragten bedeuten sich selber

hinter seine Aussage zu stellen, eindeutig Position zu beziehen. Dies wiederum würde jedoch voraussetzen sich seiner zuerst einmal selber sicher zu sein. Erst aufgrund seiner Person ist überhaupt eine Möglichkeit gegeben, ihm seine Aussage zu glauben, denn nur wenn man ist kann man Handeln (und sprechen). Diese Unsicherheit seiner selber läßt die gesamte Aussage oftmals undifferenziert und unklar erscheinen, was, wie ich mir denke, nicht ganz ungewollt geschieht, denn, gerade anhand seiner klar umrissenen Aussage läßt der Mensch sich einschätzen, hier läßt er sich «dingfest» machen, einen Tatbestand den der Schizophrene mit allen Mitteln verhindern will, da er sich bei einer eindeutigen Identifizierung ausgelöscht, zerquetscht und vernichtet sieht. Hieraus entstehen dann auch widersprüchliche Aussagen, Aussagen, die fast willkürlich aneinandergereiht werden, in denen die These der Antithese gleicht, ein Spigelbild des seelischen Zustandes einer Person die sich ihrer eigenen Rolle, ihrer eigenen Position im unklaren ist.

Ich berichtete zuvor vom Selbst, von der Uneinigkeit des Selbst, die bis zu dessen Spaltung führe, wofür das Krankheitsbild des Schizophrenen am deutlichsten steht. In diesem Zusammenhang geht Schmidt-Knäbel auf die Ersetzungsstrategien ein, die dies sehr anschaulich zum Ausdruck bringen; von diesen Ersetzungen werden an dieser Stelle drei unterschieden:

I) Matrioschka; «In mir spricht jemand», was bedeuten soll ‹in mir spricht ein Mächtigerer›.

In dieser Aussage ist der Patient eindeutig in einer defensiv Position, er fühlt diesen fremden als einen Einfluß dem er sich in dieser Situation nicht entziehen kann:

«Linguistisch nimmt diese  Technik eine Sonderstellung ein, da sie als einzige das ersetzt Ich in der Syntaktisch untergeordneten Position des adverbialen Ausdrucks in mir fortbestehen läßt; das wirkliche Ich wird allerdings auch hier grammatisch drastisch abgewertet.» (Schmidt-Knäbel, S. 41)

Dieses Motiv, das Matrioschka-Motiv, taucht nun in verifizierter Form auf, so daß sich in dieser Aussage die «Krankheitsstadien» beobachten lassen. Das Matrioschka-Motiv ist insofern als schwache Ersetzungsform anzusehen, da die eigene Persönlichkeit nicht völlig verschwunden ist. Der «Schweregrad» dieser Einschätzung läßt sich somit am Bezug zur eigenen Person einschätzen, im folgenden Beispiel wird der Einfluß einer Schwester auf die Patientin geschildert, der Bezugsrahmen ist also relativ nah, folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:

„Weil  – in  mir eine Schwester sitzt und die dauernd meine Schwesternkleidung von mir abnimmt und sich anzieht, und ich werd hier oben immer verrückter! (zornig) Von Tag zu Tag werd ich verrückter, nä.“ (Schmidt-Knäbel  I 105, S. 41)

„Ich hab ja in mir ’n Kind. Das zweite wohl, ich weiß es nicht genau. Oder wenn ich ’n Nachfolger habe für mich – in mir drin, nä, denn geht das ja auch noch – anstatt den Bauch aufschneiden, Baby rausholen, nä.“ (Schmidt-Knäbel, III 447, S.42)

Eine Steigerung würde der Einfluß in dem Moment erfahren, wenn der Patient sich durch eine Person des anderen Geschlechtes beeinflußt sieht, oder wenn eine Gestalt gewählt würde die das Leben des Patienten «real» in keinster Weise tangiert.

II) Pluralisierung oder auch Spaltung im engeren Sinne.

Es handelt sich hier um eine Spaltung in mehrere Personen, ja Persönlichkeiten; also um eine quantitative Ersetzung. Auch hierbei ist wohl eine Abstufung der «Schwere» der Krankheit zu erkennen, und zwar in dem Maße, als daß es Patienten die in zwei Personen gespalten sind, die in mehrere gespalten sind und bei denen diese Spaltung irrationale Formen annimmt, wie die Atomisierung:

„Ich hab ja in mir ’n Kind. Das zweite wohl, ich weiß nicht genau. Oder wenn ich ’n Nachfolger habe für mich – in mir drin, nä, denn geht das ja auch noch – anstatt den Bauch aufschneiden, Baby rausholen, nä.“ (SCHMIDT-KNÄBEL III 447, S. 42)

III) Fremdidentifikation, also Ersetzung oder Gleichsetzung durch einen anderen, meist prominente Singular, «ich bin (wie) Napoleon».

 Auch bei dieser Ersetzungsstrategie ist eine Steigerung in sich zu erkennen, dann nämlich, wenn der Patient «in der Realität» keinerlei Beziehung zu der Person besitzt, mit der er sich vergleicht bzw. die er vorgibt zu sein. So wäre der Vergleich mit einem Verwandten als nicht so «gravierend» anzusehen wie der Vergleich mit einer für ihn «fremden» Person. Die Steigerungsformen gehen über Identifikationen mit Prominenten bis zur Gottesidentifikation, was als der schwerste Grad der Fremdidentifikation anzusehen ist. Bei den semantischen Gegebenheiten sind jedoch, je nach Tagesform, Unterschiede zu erkennen.

„Neulich war das so, da erschien ich als Nonne, nich. Aber das war so weit entfernt von mir, ich war weiter vor, nich. Das ist, schätz ich, das ist das Wahre, ist das, was ich – daß ich dann da Nonne war, nä.“ (Schmidt-Knäbel II 320, S. 44)

„N› ja, ich bin Gott ähnlich, weil ich ’n Licht besiegt hab, nä. Licht ist ja der liebe Gott, die Sonne. Licht und die Sonn – und Sonnenstrahlen. Das ist der liebe Gott.“ (Schmidt-Knäbel III 478, S. 44)

Ein weiteres Merkmal, das in diesen Kontext paßt wäre die Steigerungsstrategie, die ebenfalls, wenn man Laing zugrundelegt, ein Ausdruck von Unsicherheit sind. Der Versuch sich selber überhaupt existieren zu lassen. Als Ausdrucksformen erscheinen hier der Komparativ und Superlativ. Dies um im Augenblick größter Gefahr in eine «neue Welt» (Goas, 1972) zu fliehen, was zu verstehen ist als Flucht, als Flucht aus einer Bedrängnis in die sich der Patient selber hineinmanövriert hat. Auch bei Laing taucht der Aspekt der Flucht in verschiedenen Varianten auf; Flucht vor der Umwelt, vor seinem Selbst, Flucht als Weg seine Existenz sichtbar zu machen, sich selber am Leben zu erhalten. Diesem Leiden, seiner eigenen Unsicherheit, versucht der Schizophrene Ausdruck zu verleihen, dies jedoch aus seinem «Normalitätsverständnis» heraus, mit seiner eigenen Sprache. Eines dieser Ausdrucksmittel sind Metaphern: «Daneben gibt es die Theorie, daß die metaphorische Ausdrucksweise ein Mittel des Patienten sei, tabuisierten Gefühlen auf indirekte Weise Ausdruck zu verschaffen, so bei ARIETI (1950).» (Schmidt-Knäbel S. 102).

Diese Metaphorik wirkt als Versuch sich mitzuteilen, dies da sich der Patient seiner eigenen mangelnden Fähigkeit zur Verbalisierung seiner eigenen Gefühle und Gedanken bewußt ist. Der Schizophrene versucht uns so in seiner eigenen «Sprache» über diese aufzuklären.

Der Schizophrene ist eine Marionette seiner selbst, er ist handelnder, aber zugleich ist er stiller und passiver Kritiker dieser Handlung. Die Krankheit ist zu einem Teil seiner Persönlichkeit geworden, die der Patient haßt aber nicht verlieren kann. Er selber wird zu einer «Als-ob-Persönlichkeit» (Schmidt-Knäbel aus Deutsch, S.158), einer Persönlichkeit die sich selber über diese nicht im klaren ist, und daher in ewigem Bemühen ist, sich selber diese zu offenbaren und zu beweisen.

Literaturhinweise:

– Laing, Ronald D.: Das geteilte Selbst. München 1991.

– Schmidt-Knäbel, Susanne: Schizophrene Sprache in Monolog und Dialog. 1979.

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